Premiere – der 1. Arbeitstag
Wie kommt man zu solch einer Anstellung? „Blindbewerbung“ heißt das Zauberwort. Als ich im Juni zum Festival de la Musique das Dülmener Saxophon-Orchester „Ohne Anton“ im Auftrag des Partnerschaftskomitées Dülmen-Charleville-Mézières (CMZ) begleitete, bekam ich Halsschmerzen und wollte ein Glas Honig kaufen.

Eingang zum Artisans du Monde
Ich kannte eine Lebensmittelkette in der Innenstadt von CMZ von früheren Besuchen und genau gegenüber befindet sich Artisans du Monde, das ich bereits ein Jahr zuvor bei seiner Eröffnung kennen gelernt hatte. Neugierde, ein Bestandteil meines früheren beruflichen Lebens, ließ mich das Artisans du Monde betreten, mich umschauen und da sonst keine Kundschaft dort war, schnell mit der Verkäuferin ins Gespräch kommen. Meine letzte entscheidende Frage, ob ich evtl. für sechs Wochen ehrenhalber mitarbeiten dürfte, quittierte sie erstaunt lächelnd mit einer Visitenkarte und ich schrieb meine Blindbewerbung. Nur wenn man fragt, bekommt man eine Antwort und so lud man mich ein, tatkräftig zu werden.
Freundlichster Empfang
Ich wurde erwartet, man schien aber doch skeptisch, ob nicht alles eine Luftblase war, und daher ein besonders herzlicher Empfang im Magazin, oder der Bijouterie, wie Nicole das Geschäft zu bezeichnen pflegt. Immerhin steckt in dem Geschäftsnamen der Begriff Artisans, also Kunstwerke, und man ist wohl auch damit einst gestartet. Die Lebensmittel, die heute mehr als 50 % des Umsatzes ausmachen, kamen erst später dazu, in den Regalen unterteilt in regionale Produkte und Importe aus Afrika, Süd- und Lateinamerika. Das war während der Pandemie wichtig, denn als Geschäft mit mehr als 50 % Lebensmittelumsatz war man „systemrelevant“ und durfte geöffnet bleiben.

Annie ist mehrfach sozial engagiert, u. a. auch noch in der Wohnraumbeschaffung für Obdachlose oder in Frauenhäuser
Einige Produkte sind mir aus dem Dülmener 1-Welt-Laden vertraut , insbesondere die Schokoladen, einer der Hauptumsatzträger. Der Hintergrund: Die Kakaobohnen werden nicht aus Ghana nach Europa zur Weiterverarbeitung transportiert, sondern vor Ort zur Kakaomasse vermahlen. 70 % des weltweit produzierten Kakaos stammen aus Westafrika, mit den Schwerpunkten Ghana und der Elfenbeinküste. Je feiner die Kakaomasse mit dem Zucker zusammen vermahlen wird (10 – 20 Mikrometer), desto feiner ist der Schokoladengeschmack auf der Zunge. Wer sich noch an Schokolade aus der DDR und deren Sandigkeit erinnert, findet in der gröberen Vermahlung die Erklärung. Der Schokoladenhersteller importiert also nicht nur die Rohware, sondern produziert vor Ort, was dort wiederum Arbeitsplätze schafft. Insbesondere die Kleinbauern in Ghana profitieren von den speziellen Schokoladen für den Fair-Trade-Handel und sind nicht den Preisdiktaten der großen Schokoladenverarbeitern ausgeliefert.
Als ich erzählte, dass ich die Imkerin Adeline angeschrieben hätte, um deren Imkerei zu besichtigen, bisher jedoch leider keine Antwort erhielt: „C’est pas un problem“. Sie hat heute ihren Stand in der Markthalle und wir wechseln spontan die Örtlichkeit. Jetzt geht alles sehr schnell, denn Adeline freut sich auf meinen Besuch und zwar nicht in der nächsten Woche, aber dann, wenn es im Betrieb ruhiger ist, könne ich sie gerne besuchen. Als Berufskollegen, sie Profi-, ich Hobbyimker, tauscht man sich gerne aus und ein neues Thema für diesen Blog erschließt sich.

Das Regal regionaler Spezialitäten wie Honig, Buchweizen, Getreide, Wein und Säfte
Arbeit im Ausland bleibt Gewinn
Ich hätte auch schon vor 50 Jahren gerne in Frankreich oder Großbritannien für ein Jahr gearbeitet, aber Programme wie Erasmus oder Leonardo gab es noch nicht, Ich hätte mir selbst eine Unterkunft und einen Arbeitsplatz besorgen, mich um Kranken- und Sozialversicherung kümmern müssen und besonders für den kaufmännischen Bereich meine sprachlichen Fähigkeiten erheblich verbessern müssen – die normalen Probleme eines Gastarbeiters in jener Zeit. Heute, als Rentner ist alles leichter, aber auch kein so großes Abenteuer mehr.
Hallo Rüdiger,
Du scheinst ja wohl gut angekommen und auch herzlich empfangen worden sein. Ich werde jetzt jeden Tag deinen Blog lesen.
Grüße aus Dülmen
Fritz
Hallo Fritz, ich werde gerne weiter berichten über die Arbeit des Artisans du Monde, dem französischen Pendant zum 1-Welt-Laden.
Lieber Rüdiger, Glückwunsch zum blog, mit dem du uns teilnehmen läßt am französischen Alltag in der Partnerstadt Ch.-M..
Hallo Georg, danke für Deine positive Bewertung. Vielleicht gelingt es ja, viele Dülmener neugierig auf einen Besuch in CMZ zu machen.
Hallo,
tatsächlich haben wir – Wolfgang Großmann und meine Lebensgefährtin Rieke Froncek – vor, Anfang der kommenden Woche in CMZ ‚aufzuschlagen‘. Wir haben der Stadt schon einmal auf unserer Reise nach Spanien einen ganz kurzen, jedoch total verregneten Besuch abgestattet und immer wieder vorgehabt, doch noch einmal hinzufahren und uns die Stadt genauer anzusehen. Jetzt ist es soweit!
Wir haben vor, deinen ‚Arbeitsplatz‘ aufzusuchen. Vielleicht treffen wir uns dort einmal?
Liebe Grüße aus Dülmen.
Wolfgang und Rieke.
Hallo Rieke,
hallo Wolfgang, gerne können wir uns treffen Vielleicht lässt sich eine kleine Stadtführung arrangieren.
Grüße von Rüdiger