Mein Appartement

Nein, ich bin nicht in das Appartement des letzten Jahres zurückgezogen. Der vermietete Dachboden über mir war doch zu hellhörig und wenn ich auch Glück hatte, dass dort nicht ´nächtelang Party gefeiert wurden, so empfand ich doch jeden Schritt, selbst die Tapser von Hunden, so laut, als ob sie neben mir im Bett lagen. Durch die Vermittlung meines Imker-Freundes Alexandre residiere ich zwar auf dem Dachboden, hoch über den Dächern von Charleville, aber in einem sehr modern ausgebauten und elegant gehaltenen Dachboden – ich fühle mich wohl.

Über den Dächern von Charleville-Mézières

Zu mir zu gelangen, ist nicht einfach. Einfach klingeln und nachschauen, wie es mir geht, das ist unmöglich. Ausdauer und Kondition sind gefragt und als Erstes, ein Telefonat, man stehe vor dem Eingang. Eine Durchfahrt unter den Häusern an der Rue de President Kennedy endet vor einem schweren Eisengitter.

Hier endet die Außenwelt, es wird privat

Das schirmt die Außenwelt von einem großen Parkplatz ab, an dessen anderem Ende ein aus Natursteinen gebautes Haus steht, das mein Vermieterehepaar und ich bewohnen. Vermutlich hat es auch noch weitere Wohnungen, was ich aber noch nicht erkundet habe, da ich ganz wenige Geräusche oben unter dem Dach juchhee vernehme. Auf jeden Fall ist der Weg in die zweite Etage sehr lang und auch steil. Als ich das erste Mal am 11. Nov. morgens das Haus verlassen wollte, habe ich mich verlaufen.

Wohnhaus, das sich mir noch nicht erschlossen hat

Die Haustür muss jedes Mal abgeschlossen werden, ein Schnappschloss wie in Deutschland, ohne Schlüssel von Einbrechern leicht zu öffnen, ist hier wohl nicht üblich. Aber der Verriegelungsmechanismus funktioniert nur, wenn man die Türklinke nach oben drückt und dann den Schlüssel umdreht. Das hatte ich im letzten Jahr auch täglich mehrfach getan, aber in zwölf Monaten wieder vergessen – ich bin 73 und vielleicht doch schon senil!

Die Klinke nach oben drücken und halten, dann den Schlüssel nach rechts drehen

Dann geht es durch einen langen Gang, Bewegungsmelder leuchten mir den Weg aus. Nur wer zu langsam geht, und ich bin kein Renn-Rentner, weil er Gepäck oder anderes mit sich schleppt, steht plötzlich im Dunkeln. Dann hilft nur noch die Taschenlampe im Smartphone, um bis zur nächsten Kontaktschleife zu kommen. An der Treppenwand begleiten mich sehr schöne Skizzen von Marionetten, und allgegenwärtig in Charleville-Mézières, Portraits und Verse von Rimbaud.

Die Welt dürstet nach Liebe: Du wirst kommen, sie zu stillen

Die Treppe führt wendelartig in die 1. Etage und man hört Wasser plätschern in zwei großen Bassins, in den sich Goldfische und wohl auch Kois tummeln. Davor der von den Wohnungen ausgegrenzte Raucherbereich. In der Mitte der Wendeltreppe ein Aufzug, der bereits vor einigen Jahrzehnten in Rente gegangen sein muss. Da ich mir noch nicht schlüssig bin, ob es sich um einen Personen- oder einen Lastenaufzug handelt, vermag ich auch noch nichts über die frühere Nutzung des Hauses zu sagen. War es ein wenig pompöses Herrschaftshaus mit Aufzug oder ein Lagerhaus mit einem Lastenaufzug – ich werde mich kundig machen und berichten.

Mein Appartement selbst mit allem Komfort einer modernen Küche ausgestattet, das ausziehbare Schlafsofa mit 2 x 2 m Größe sehr stabil, keine durchgelegene Matratze und der sich anschließende Badezimmerbereich in exklusivem schwarz-weiß gehalten.

Ess- und Arbeitsbereich eines bénévol

Nur die Sitzflächen der zwei kleinen Barhocker am Küchentischchen sind wenig komfortabel. Ich verfüge offensichtlich über eine kompaktere Sitzfläche als die doch noch etwas kleineren Franzosen, alles muss in Relation bleiben, und das macht das Sitzen unbequem. Aber wer alles so haben will, wie man es braucht, sollte zu Hause bleiben. Ich kann kochen, schlafen, Texte schreiben und auch alleine Rumba tanzen.

Vielleicht werde ich auch noch meine Vermieter vorstellen, aber das ist noch abzusprechen. Verraten sei, sie ist eine gut aussehende Französin und er ein rauschebärtiger Portugiese, also Vertreter jener Sprachen, die ich mich seit geraumer Zeit bemühe zu erlernen, und kaum die Schwelle des Radebrechens überschritten habe. Aber man kann nicht alles haben, Hauptsache, man ist glücklich. Salut.

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