Marché de Noel (1)

Gestern wurde der Weihnachtsmarkt 2025 in Charleville-Mézières auf dem Place Ducale durch den Bürgermeister Boris Ravignon eröffnet. 90 x 120 Meter misst der Place Ducale, und um es einfach auszudrücken: Das ist eine Menge Platz und da passt schon einiges drauf. Dabei sprechen die Einheimischen noch immer von einem kleinen Weihnachtsmarkt, was ich nicht ganz teilen kann. Mit Riesenrad, Eislaufbahn, zwei Kinderkarussellen, einer Märchenstadt und geschätzt 50 Verkaufsständen ist dieser Markt für eine Stadt mit 40.000 Einwohnern nicht bescheiden, als klein zu bezeichnen.

Bei -2 °C ist stilles Sitzen im Riesenrad eine Herausforderung

Wegen des Weihnachtsmarktes habe ich in diesem Jahr meinen Aufenthalt in CMZ auf die Monate November und Dezember verlegt. Animiert durch zahlreiche Fotos auf Facebook wurden meine Erwartungen am ersten Nachmittag nicht enttäuscht. Die abendliche Beleuchtung des Marktes werde ich in den nächsten Tagen versuchen fest zu halten, wobei ich gerne auf die professionellen Kollegen in den sozialen Medien verweise, die eben besser fotografieren und filmen können, als ich zu knipsen vermag.

Es ist ein anderer Weihnachtsmarkt als in Deutschland, bei dem die zentral aufgestellte Tanne im Mittelpunkt des Place Ducale einzig verbindend zu sein scheint. Religiöse Motive wie Krippen oder Engel, gar Rauschgoldengel wie auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt fehlen ganz. Es ist ein Markt zu Weihnachten, der aber auch ohne religiösen Hintergrund stattfinden könnte, eben ein profaner Markt. Das mag in der äußerlich strikten Trennung zwischen Kirche und Staat seit der französischen Revolution (1789) und auch den sich anschließenden Erlassen durch Napoleon ihren Ursprung haben, vermag ich aber letztendlich aus Unkenntnis nicht zu beurteilen. Jedoch endete damals die alles beherrschende Politik der Kardinäle Mazarin und Richelieu. Bei Gesprächen über unsere vom Arbeitgeber einbehaltene und die vom Finanzamt weiter geleitete Kirchensteuer stoße ich bei meinen französischen Gesprächspartnern auf erstaunte Gesichter und es bedarf eines tiefen Griffs in die deutsch-französische Geschichtskiste,

Eislaufbahn am Samstagnachmittag noch wenig frequentiert

Es gibt einen Stand mit ausgesägten Holzarbeiten, der Vieles zeigt, was man an einen Christ- oder Weihnachtsbaum hängen könnte, wird aber jetzt nicht von religiösen Motiven beherrscht. Überhaupt habe ich noch keinen Krippenstand auf dem Weihnachtsmarkt entdeckt, so klein die hl. Familie mittlerweile auch in deutschen Familien unter dem Tannenbaum geworden ist. Der knieende hl. Josef samt Ehefrau und Kind war in den Schaufenstern der Buchhandlung Sievert in meiner Kindheit fast so groß wie ich selber. Krippen in allen Größen und Variationen und alljährlich um eine Figur erweitert, da die handgeschnitzten Schafe, der Esel samt Ochse preislich schon etwas abverlangten. Wer heute ein Krippenensemble in CMZ sucht, sollte ins Artisan du Monde gehen, wo la crêche in Südamerika mit klar erkennbaren indigenen Gesichtszügen ausgestattet ist, und Esel und Ochs durch Lamas ersetzt werden.

Allgemein fehlt das Grün des Tannenbaumes, von einem klassischen deutschen Adventskranz ganz zu schweigen. Wird er ja auch immer mehr in Deutschland durch ein Gesteck ersetzt, aber es bleiben vier Kerzen. In der dem Artisan du Monde benachbarten Floristikgeschäft Fehlanzeige. Der Verkaufsstand von Weihnachtsbäumen außerhalb des Marktes ist halb so groß wie in Dülmen und macht eher einen verschämten Eindruck, als dass er ein zentraler Einkaufspunkt wäre. Keinesfalls hat dieser wohl ursprünglich deutsche Brauch den Sprung an die Meuse geschafft und auch das für mich bombastische amerikanische Weihnachtsfest hat einem Tsunami gleich, Frankreich noch nicht überrollt.

Am 24. Dezember haben die Geschäfte mindestens bis 18 Uhr geöffnet , noch immer genügend Zeit, sich für die Weihnachtsparty hübsch zu machen und das vorbereitete Festmenü in den Herd zu schieben. Vielleicht ruhen die gravierenden Unterschiede in der Auffassung des Tages. Für Franzosen ist der Heilige Abend ein Geburtstag, also wird dieser Tag wie jeder andere Geburtstag auch, gefeiert. Mit Geschenken, mit gutem Essen und auch anregenden Getränken. Wer es mag, kann auch noch zum Mitternachtsgottesdienst gehen, wobei die überwiegend katholischen Kirchen auch nicht anbauen müssen. In Deutschland war der Gottesdienst obligatorisch und jahrhundertelang zentraler Fixpunkt der Weihnachtstage. Dass sich dies geändert hat, steht außer Frage, ist an dieser Stelle aber nicht das Thema. Geblieben ist aber das Getragene des 24. Dezember. Restaurants haben nicht den umsatzstärksten Tag des Jahres, sondern sind einfach geschlossen. Gaststätten schließen spätestens um 21 Uhr und in Großstädten dürfen sie nach einer Stunde „Anstandsweihnachten“ wieder zur großen Party öffnen.

Kinderkarussell mit halben Christbaumkugeln als Gondeln

Wenn ich Weihnachtskarten erhalte, auf denen mir fröhliche und besinnliche Weihnachten gewünscht werden, bekomme ich Schnappatmung. Bisher sind mir besinnliche Weihnachten ins Französische zu übersetzen allesamt misslungen. Am einfachsten ist dieses Gefühl wohl mit den tragenden Melodien von „Oh du fröhliche, oh du selige“ und „Stille Nacht, heilige Nacht“ zu erklären, die sich auch mit einem anderem Text wenig für Geburtstagfeiern eignen. Aber zusammen mit dem Sprichwort „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, drückt es wohl die „The German Angst“ umfassend aus. Freute ich mich als Kind darüber, dass mir etwas besonders gut gelungen war, oder ich unerwartet etwas geschenkt bekam, wusste meine Mutter mit dem Hinweis auf den restlichen Tag jegliche Freude zu zerstören, so dass ich mich nur noch heimlich freute. Besinnlichkeit kam deswegen aber nicht auf. Bisher bin ich in CMZ weder in einem Geschäft noch auf dem Weihnachtsmarkt intensiv in einer Endlosschleife mit Weihnachtsliedern gequält worden.

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