Der Bauch von Charleville

Nein, die Markthallen von Paris-Rungis, nach Emil Zola der Bauch von Paris, ist die Markthalle von Charleville wahrlich nicht. Zumal in Rungis Groß- an Einzelhändler verkauften und nicht an Endverbraucher. Fünfzehn Händler sollen offiziell nahe des Place Ducale ihre Lebensmittel anbieten, zählt man aber die vor der Markthalle stehenden Verkaufswagen dazu, sind es mehr als zwanzig. Obst, Gemüse, Käse, Fleisch, Backwaren und viele vorgebackene Gerichte werden bevorzugt am Samstag von 8 – 13 Uhr angeboten.

Am Dienstag und Donnerstag, ebenfalls von 8 – 13 Uhr, bietet sich dagegen eher ein trauriges Bild mit drei Obst- und Gemüsehändlern, die auch nur drei Kunden bei meinem Besuch anziehen konnten.

Ein Markt gehört in jeder Stadt zur touristischen Attraktion, zeigt er doch konzentriert, wovon und womit sich die Bevölkerung ernährt. Und Marktschreier, die lauthals die Qualität ihrer Produkte verkünden , sie möglichst mit anzüglichen Bemerkungen anpreisen, verkaufen keine Produkte, sondern liefern eine Show. In CMZ geht alles sehr betont ruhig zu, man scheint das fehlende Temperament, das den Ostfranzosen nachgesagt wird, zu spüren. Mag sein, es fehlen die Fischhändler, die gefürchteten Fischweiber, die jeden Markt aufmischen. Lediglich ein Stand bietet Austern an, weitere Meeresfrüchte fehlen. Dafür scheint die Markthalle auch nicht ausgelegt zu sein, denn dazu bedarf es nach der EU-Regelung auch besonderer hygienischer Ausstattung mit ständigen Wasserbrausen und Abflüssen, wenn nicht sogar abgetrennten Hallenteilen.

Ein besonderes Augenmerk sollte man bei einem Besuch auf die halbfertigen vorgebackenen Teigwaren richten, auch Convenience-Produkte genannt. Verschiedene Geschmackrichtungen der Quiches in allen Größen, Teigtaschen aus dem Maghreb und dem Libanon und auch daheim vorgekochten Suppen sind im Angebot. Hier werden viele Gerichte oder Grillhähnchen zum Verzehr für daheim angeboten, nicht jedoch direkt am Verkaufsstand oder -wagen. Überhaupt ist der Verzehr von Snacks, Pizzen, Bratwürsten oder Pommes im Gehen die absolute Ausnahme.

Diverse Suppen werden auch von den Händlern geschätzt

Abfalleimer in der Innenstadt, welche die großen Mengen an Pizzapappschachteln aufnehmen können, fehlen in CMZ noch vollständig und werden zu Freiluftveranstaltungen extra aufgestellt. Langsam scheint sich der Coffe-to-go einzubürgern, aber der typische kleine französische Kaffee eignet sich nicht dazu und die große deutsche Tasse Kaffee lässt sich aus der Kaffeeart Robusta, die in den Mittelmeerländern bevorzugt wird, nicht brühen. In Deutschland wird die mildere Kaffeeart Arabica getrunken. Kaffee mit Zucker schon, aber mit Milch undenkbar.

In der Markthalle sollen Besucher die Aromen und Spezialitäten der Ardennen kennenlernen, indem lokale Produzenten, Handwerker und Händler ihre Waren anbieten. Frische regionale Produkte, traditionelle Spezialitäten und handwerkliche Erzeugnisse sollen die Produkte von den Supermärkten abheben. Schwierig einen Standplatz zu erhalten, ist es nach Angaben verschiedener Händler nicht, das Platzangebot sei größer als die Nachfrage.

Damit spiegelt sich das Marktgeschehen wie in Deutschland wider. Der zeitliche Aufwand als Marktbeschicker ist sehr groß, zumeist benötigt man zwei Stunden, bis alle Produkte eingeladen, transportiert und für den Verkauf wieder aufgebaut worden sind. Man ist auch in der Halle den Außentemperaturen ausgesetzt, denn die Halle bleibt unbeheizt und an den Eingangstüren zieht es. Man muss durch besonders gute Qualität bei Obst und Gemüse, insbesondere Frische, überzeugen, um gegen die Supermärkte bestehen zu können. Nur wenn für die Kundschaft ein wahrer Zusatznutzen erkennbar ist, ist sie auch bereit, den höheren Preis zu akzeptieren. Regionalität ist zwar ein wichtiges Verkaufskriterium, erklären mehrere Händler, reicht als mehrfacher Verkaufsimpuls jedoch allein nicht aus.

Imkerin Adeline Bablée

Lediglich bei Honig sei sowohl die Regionalität als auch der gesundheitliche Effekt durch ausgewiesene Zugabe von Propolis mit kaufentscheidend. Wobei der französische Honig vom regionalen Imker um ca. 20 % preiswerter ist als in Deutschland. Die französischen Imker profitieren derzeit von Skandalen, dass Importware aus Asien als mit Zucker gestreckte Honige enttarnt wurden und nicht mehr den Qualitätsbegriff „Honig“ hätten tragen dürfen. Allerdings müssen als Sortenhonig etikettierte Honige wie Lavendelhonig oder Kastanienhonig durch ein Institut als solche zertifiziert sein, was mit Laborkosten verbunden ist, die nur große Imkereien tragen können. Die Bezeichnung aus EU- und Nicht-EU-Ländern muss noch von mehreren EU-Staaten in nationales Recht umgesetzt werden, dass auf den Etiketten dezidiert aufgeführt, zu welchen Prozentsätzen Importhonige aus welchen Ländern beigemischt wurden. Auch in Frankreich kann der Honigabsatz aus eigener regionaler Produktion nur zu 30 % gedeckt werden (Deutschland 20 %), 70 % müssen importiert werden.

Freigeschossene Brote bieten eine rustikale Optik

Vor einigen Jahren hatte es in Frankreich eine wahrer Revolution um den Preis für das Baguette gegeben und wer seine Bäckerei als Boulangerie bezeichnen durfte. Napoleon I. hatte aus der französische Revolution von 1789, die unter anderem wegen des Brotpreises ausgebrochen war, gelernt, und der fixierte Preis des Baguettes durfte bis Ende des 20. Jahrhunderts nur mit Zustimmung der Regierung geändert werden. Den Pris versuchten die Supermarktketten durch andere Produktionstechniken zu unterlaufen und zudem auch den Begriff „Boulangerie“ für sich in Anspruch zu nehmen. Hiergegen wehrten sich besonders heftig die Pariser Boulangers, die das Baguette nicht allein als Backware sahen, sondern als traditionelles nationales Kulturgut, das nicht in Großbäckereien produziert werden könne. Zumal etliche Boulangerien nur das Baguette und keine anderen Backwaren verkaufen. Eine Patisserie verkauft zumindest noch zusätzlich Pasteten, eine Viennoisserie noch Croissants und/oder Brioche (Blätterteigwaren). Letztendlich konnte zwar nicht verhindert werden, dass auch die Lebensmittelketten Baguettes verkaufen, in Charleville-Mézières gibt es aber nur fünf Boulangerien, die sich auf die traditionelle Backform berufen können und sich traditionelle Boulangerie nennen dürfen:

Boulangerie und Patisserie Mont Olympe in der Rue de Moulin

La pétrie du faubourg, 19 Rue du Faubourg de Pierre

Boulangerie Repéle Alain, 36 Rue Baron-Quinart

Maison Billard, 2/4 Rue de l’Eglise

Pâtisserie du Mont Olympe, Moulin

The Peche Mignon, 49 Av. de Saint-Julien



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert