Warme Weihnachten

Ich gestehe, mit über 70 gehöre ich jener Generation an, die für die Werbewirtschaft nicht mehr von Interesse ist. Nicht weil wir nicht das Geld ausgeben könnten, sondern weil wir einfach nicht alles vermeintlich Neue auch für kaufwürdig erachten. Man hat einfach in den letzten Jahrzehnten zu viel gekauft, was später nur in der Ecke lag und Platz wegnahm. Darum liegt Black Friday so nahe am Advent, dass die Jüngeren garantiert die vermeintlichen Schnäppchen ergattern. Bis zum letzten Wochenende waren die Schaufenster in Charleville-Mézières mit Black Friday überfüllt, jetzt kommt manche Styropor-Schneeflocke dazu, denn es weihnachtet. Obwohl die Franzosen nach ihren eigenen Aussagen nicht in jenen Kaufrausch fallen, dessen sich die Deutschen stöhnend, selbstkritisch rühmen.

Sparsame Französin, die noch die Sommermode 2025 bei 7 °C zu den Klängen der Fanfaren du Collège Eva Thomé d’Attigny aufträgt

Wo sich Franzosen und Deutsche sehr angenähert haben, sind die Delikatessen zu den Feiertagen. Oder besser gesagt, haben die Deutschen aufgeholt. Glücklicherweise wird die gestopfte Entenleber rechts des Rheins weitgehendst ausgeklammert, darf sie aber auch beim französischen Discounter im Angebot nicht fehlen. Natürlich wird der Hummer Anfang Dezember noch nicht lebendig nach Hause getragen und vegetiert in der heimischen Badewanne als neues, kurzlebiges Haustier dahin, nachdem er mit einem Schluck Champagner auf den Namen Emmanuel (Macron) getauft wurde, sondern sein krustiger Leichnam wird nur rechtzeitig bestellt, bevor der böse Nachbar im Kampf um das letzte Tier die Nase vorn hat.

Kleine, liebevoll gestaltete Weihnachtsdekoration im Erdgeschoss eines Wohnhauses.

Wenige weihnachtliche Genüsse auf den Tisch wird es rund um den Marché Ronde Couture geben. Ein, auch im Dezember, stark besuchter Markt, auf dem Lebensmittel nur ein Teil des Gesamtangebotes sind. Französisch gilt zwar als Umgangssprache, wer aber Arabisch beherrscht, wird ebenso gut bedient. Zahlreiche andere schwarz-afrikanische Landessprachen und Dialekte sind zu hören, und kennzeichnen Zugehörigkeiten. Äußerlich gepflegte Wohnblocks, hinter der Eingangstür aber sehr gewöhnungsbedürftige Gerüche. Nach Einbruch der Dunkelheit wird mir geraten, diese Banlieu zu meiden. Sehr protzige „Dienstwagen“ werden umlagert von sehr traurigen menschlichen Gestalten, die als Dealer und Kleinkriminelle ihr Dasein mehr fristen und dahinvegetieren, als dass sie existieren. Angeblich lässt sich die Polizei dort wenig blicken, denn wer auch protzig auftritt, ist nur ein kleiner Fisch im weltweit operierenden Geschäft und da man sich kennt, ist das Unvermeidliche besser, „als jeden Tag ein neuer Pickel“.

Zugegeben, ich habe viel Glück in meinem Leben gehabt, besonders in gesundheitlicher Hinsicht. Auf meiner Spurensuche durch die zumeist engen und zugeparkten Straßen Charleville-Mézières passierte ich auch einen LKW, von dem bereits eine Europalette mittels der angebauten Hebebühne auf die Straße gewuchtet worden war. Der Fahrer konnte die Palette mit seinem kleinen Hubwagen (im Fachjargon: Ameise) aber nicht auf der Straße weiterbewegen, da die Straße nicht plan, sondern die Straßenmitte leicht erhöht gebaut wurde. So läuft Regenwasser schneller in den Kantel (Rinnstein) ab. Jedoch die Europalette verkantete auf dieser schiefen Ebene. Daher bat mich der Fahrer gegen die mit Kunststofffolie ummantelte Ware zu drücken, dass er mit dem kleinen Hubwagen unter die niedrigste Stelle der Palette fahren und sie in die Waagerechte bringen könnte. Noch bevor er die Ameise unter die Palette geschoben hatte, verrutschte die gestapelte Ware auf der Palette, zerriss die Folie und unzählige 1,5 l Wasserflaschen rutschen aus 1,5 m Höhe in meine Richtung und drohten mich zu begraben. Nur zwei schnelle, stolperfreie Schritte rückwärts verhinderten den Aufschlag der Flaschen auf meine Schienbeine und Oberschenkel, die mir die Natur auch nicht als unkaputtbar fürs Leben mitgegeben hat. So blieb mir ein längerer Aufenthalt im hiesigen Hospital erspart. Wie der Spediteur die rund 500 Flaschen einzeln abgeliefert hat, vermag ich nicht zu berichten, da ich sehr schnell in die nächste Querstraße entschwand. Demjenigen, der die Flaschen so leichtsinnig mit einer Folie umwickelt auf der Palette fixiert hatte, wollte ich keinen guten Tag mehr wünschen. Der Tag blieb aber weiterhin wie gewohnt unfallfrei.

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