Nuit blanche

Da es zu meinem Text am letzten Montag einige Nachfragen gab, möchte ich noch einmal auf die Nuit blanche eingehen. Das Konzept der Nuit Blanche wurde von ähnlichen Ereignissen in den nordischen Ländern inspiriert, wo sich der Begriff auf die Zeit bezieht, in der die Dämmerung die ganze Nacht dauert. Die erste moderne Nuit Blanche wurde 2002 in Paris organisiert. Seitdem hat sich diese Veranstaltung auf mehrere Großstädte auf der ganzen Welt ausgeweitet, darunter Rom, Montreal, Seoul und Dülmen, wo es der alle zwei Jahre stattfindenden Kulturnacht entspricht. Nur umschließt es weltweit auch Museen, Konzertsäle oder andere kulturelle Orte, die sonst nicht kostenlos zugänglich sind – soweit man hat.

Eine weiße Traumstadt, von Schülern aus CMZ gebaut, die zum Teil reale Häuser ihrer Umgebung beinhaltet.

„Faire une nuit blanche“ bedeutet im Französischen auch, wie mir meine Freunde erklärten, „eine schlaflose Nacht haben“, „die ganze Nacht wach bleiben“ oder „eine Nacht durchmachen“.

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Mehr als Marionetten

Alle zwei Jahre im Herbst verwandelt sich Charleville-Mézières zu einer einzigen Theaterbühnen. Von morgens um 10 bis tief in die Nacht treten auf allen Plätzen an jeder Straßenecke und in jedem Saal Marionetten, Stabpuppen oder menschliche Figuren auf und verzaubern und begeistern von filigranen Darbietungen, über grotesken Improvisationen bis hin zu illuminierten Spektakeln Jung und Alt. Offiziell fand das erste Weltfestival des Puppenspiels 1961 statt, dessen Gründer Jacques Félix bis 2020 die Leitung inne hatte. Die Idee stammte aber wohl tatsächlich von Marionettenauftritte zur Verkehrserziehung für Schulkinder, wie ich mich an Plakate im Treppenhaus des Hotel de Paris erinnere, die aber seit dessen Renovierung verschwunden sind.

Über 200.000 Besucher werden zum Festival Mondial des Théâtre de Marionettes vom 19. bis 28. September 2025 in Charleville-Mézières erwartet.

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10. Arbeitstag im Artisans du Monde

Ich gebe zu, mir all die Namen der Damen im Artisans du Monde zu merken, es überfordert mich. Selbst bei den beiden Männern, Fabienne und wer ….? Am häufigsten bin ich da, wobei ich nicht am meisten arbeite. Mittlerweile etikettiere ich jeden Artikel mit Etiketten, die jeder Warenlieferung beiliegen. Bleibt kein Etikett übrig, stimmt die Warenlieferung mit der Gesamtrechnung von der Zentrale überein. Natürlich könnte man bei einer Scannerkasse sich diese Arbeit ersparen, eine Wareneingangskontrolle bliebe trotzdem sinnvoll, denn ob das Zentrallager fehlerfrei arbeitet und keine Inventurdifferenzen produziert – wer weiß das schon.

Thérèse und Silvie im Kundengespräch

Die Hauptumsatzträger im Artisans du Monde bleiben die Lebensmittel, was während der Covid-19 Pandemie entscheidend war, als dass deswegen das Geschäft als systemrelevant eingestuft wurde und geöffnet bleiben durfte.

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Wo die Waffen schweigen

Umfangreich ist die Sammlung von Gewehren und Handfeuerwaffen im Musée de L’Ardenne, denn in Charleville befanden sich im 18. Jahrhundert einige Manufakturen, die sich mit deren Herstellung befassten. Nahe der Grenze zu den habsburgischen Gebieten, heute Belgien, und der französischen Eisen- und Stahlproduktion in Longwy und Longyon kann es nicht verwundern, dass die Festungen Mézières, Sedan, Montmédy bis Metz kurze Wege zum direkten Nachschub bevorzugten. Nur fatal, wenn die Waffenschmiede schon kurz nach Kriegsbeginn unter die Kontrolle des Feindes gerät, wie 1914 bis 1918 Charleville, als es Sitz des Oberkammandos der Reichsheeres war. Letztendlich war es aber doch nicht kriegsentscheidend.

Erfolgreich exportiert wurden diese Langwaffen und Pistolen nach Nordamerika, um die 13 Staaten der Ostküste in Ihrem „Freiheitskampf“ gegen das englische Mutterland zu unterstützen.

Seine eigene Erfahrung mit dem Resultat einer Waffe sammelte Arthur Rimbaud 1871 im deutsch-französischen Krieg nahe der Front, die er in seinem wohl bekanntesten Gedicht „Der Schläfer im Tal“ festhielt.

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Sagenwelt der Ardennen

Wer beim Morgengrauen am Tag der Sommersonnenwende durch die Wälder um Charleville-Mézières wandert, kann es noch immer hören; Das Wiehern eines Pferdes namens Bayard. Die wohl älteste und bekannteste Sage der Ardennen um das Wunderpferd Bayard mit den vier Söhnen des Aymon de Dordonne hat seine nachweislich schriftliche Fassung im XII. Jahrhundert, wird aber in den mündlichen Variationen auf die keltische, vorchristliche Zeit des sechsten Jahrhunderts datiert.

Die vier Söhne des Aymon de Dordonne, Miniatur aus dem XIV. Jahrhundert

Demnach wird Bayard als Sohn eines Drachens und einer Schlange von dem Zauberer Maugis von einer Vulkaninsel befreit und Kaiser Karl dem Großen geschenkt. Der verschenkt es weiter an Renaud de Montabaun, dem ältesten Sohn des Aymon. 

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Je est un autre

Eine Woche lang wird der 170. Geburtstag von Arthur Rimbaud gefeiert, der gebürtig aus Charleville stammt. Die Unfassbarkeit der Gedichte des Lyrikers, der mit seinen Gedichten von 1870 bis zu den Dadaisten in den 1920ern die europäische Lyrik beeinflusste, wird durch die Unfassbarkeit anderer künstlerischen Bereiche dargestellt.

In der Nuit Blanche eröffneten changierende Gasballons auf dem Place Ducale ein Festival der Aktivitäten an 21 Schauplätzen

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Der Bauch von Charleville

Nein, die Markthallen von Paris-Rungis, nach Emil Zola der Bauch von Paris, ist die Markthalle von Charleville wahrlich nicht. Zumal in Rungis Groß- an Einzelhändler verkauften und nicht an Endverbraucher. Fünfzehn Händler sollen offiziell nahe des Place Ducale ihre Lebensmittel anbieten, zählt man aber die vor der Markthalle stehenden Verkaufswagen dazu, sind es mehr als zwanzig. Obst, Gemüse, Käse, Fleisch, Backwaren und viele vorgebackene Gerichte werden bevorzugt am Samstag von 8 – 13 Uhr angeboten.

Am Dienstag und Donnerstag, ebenfalls von 8 – 13 Uhr, bietet sich dagegen eher ein trauriges Bild mit drei Obst- und Gemüsehändlern, die auch nur drei Kunden bei meinem Besuch anziehen konnten.

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Grenzwertig

Nunmehr bin ich seit einer Woche in Charleville-Mézières und ich fühle mich wohl, eben wie Gott in Frankreich. Weil ich von jeglicher Verpflichtung entbunden, im Artisans du Monde nach freier Zeiteinteilung mit kommunikativen Damen zusammen arbeiten darf, ohne eine Stechuhr im Rücken und keinerlei Arbeitsdruck verspüre.

Es ist es Gelegenheit sich zu erinnern, wie es vor 50 Jahren war, wenn heute von einem Dexit phantasiert wird. Das Merkantilsystem, nur exportieren und Importe hoch verzollen, hat schon Ludwig XIV vor große Probleme gestellt und mit seinen Kriegen eine Staatsbankrott provoziert. Die EU ist nur halb so groß wie die chinesische Provinz, die Mandschurei. Wer dann noch glaubt, durch Separatismus auf dem Weltmarkt bestehen zu können, überschätzt sich gewaltig.

Monique und ich etikettieren die Ware

Blicken wir 50 Jahre zurück und es sind meine, ganz allein meine persönlichsten Erinnerungen und ich gebe zu, sah ich eine staatstragende Uniform, war ich auf Krawall gebürstet.

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George – der Friseur

Letztes Wochenende stellte ich noch die Sangeskünste meines Nachbarn in Frage, seine handwerklichen Friseurkünste, stehen außer Frage. Im „Coiffeur Solidaire“ gegenüber meines Hauseinganges ist mein Nachbar George Gründer und Chef eines Friseursalons, in welchem mittellose oder ärmere Mitbürger sich einen Haarschnitt erlauben können.

Le Coiffeur Solidaire in er Rue du theatre, gegenüber meiner Wohnung

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Arthur Rimbaud

Nach sechs Tagen in Charleville-Mézières wird es Zeit auf den wohl bekanntesten Künstler der Stadt Artur Rimbaud einzugehen. Was Mozart für Salzburg, Goethe für Weimar ist Rimbaud für Charleville – man kann ihm nicht entkommen. vertonte Gedichte gibt es viele, gemalte Gedichte eher weniger. 17 Mal hat die Stadt Charleville-Mézières große Hauswände für Gedichte „beschlagnahmt“ und Maler aufgefordert, das Gedicht in -Farben zu interpretieren.

Das bekannteste Bild ist eine Karikatur Rimbauds auf der Titelseite der Zeitschrift Les Hommes d’Aujourd’hui von 1888, welche den Dichter im Arbeiten mit Vokalen zeigt, die zu einem lautmalerischen wohlklingenden Ensembel als Gedicht zusammengefügt werden sollen. Die Karikatur von Manuel Luque bezieht sich auf das Gedicht „Voyelles“ welches in der Zeitung erstmalig erschien und wohl eines der bekanntesten wurde. Das handschriftliche Originalmanuskript wurde 2015 auf die Rückseite der neu erbauten „Mediatheque Voyelle“ in der Rue de l’Èglise reproduziert. Dies bildete den Auftakt für 16 weitere Fresken an weniger repräsentativen Orten der Stadt und ließen einen Parcous Rimbaud entstehen,

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